Die Staatsanwaltschaft ermittelt angeblich wegen Mordes; das ist ein guter Grund, mal wieder über die verfassungswidrigste aller Strafnormen herzuziehen. Gemäß § 211 StGB ist Mörder, wer einen anderen vorsätzlich tötet und darüberhinaus eines der dort abschließend aufgezählten Mordmerkmale verwirklicht. Dabei handelt es sich um eine willkürliche Ansammlung mehr oder weniger bestimmter Tatbestandsmerkmale, teils auf die Tat bezogen, teils auf den Täter bezogen. Einige davon - z. B. die Heimtücke - beruhen auf archaischen Ehrvorstellungen, wie man sie sonst nur dem Islam nachsagt, sind aber angeblich trotzdem verfassungsgemäß.
Die Vorschrift zieht als einzig mögliche Sanktion die lebenslange Freiheitsstrafe nach sich. Irgendeinen objektiven Zweck erfüllt § 211 StGB nicht, denn als besonders schwer empfundene Fälle des Totschlags kann man seit jeher auch über § 211 Abs. 2 StGB ahnden und so ebenfalls zur lebenslangen Freiheitsstrafe gelangen. Durch die starre Strafandrohung sorgt § 211 StGB stattdessen regelmäßig für offensichtlich unangemessene Sanktionen, weil selbst erheblich mildernde Umstände sich nicht auf die zu verhängende Strafe auswirken dürfen. Frühe Versuche des BGH, dieses Missstand mit einer so genannten Rechtsfolgenlösung zu umgehen, haben sich nicht durchgesetzt.
Die Staatsanwaltschaften setzen § 211 zumeist ein, um zusätzlich Stimmung gegen einen Angeklagten zu machen. Dabei scheut man sich auch nicht, Mordmerkmale auf hanebüchenste Art und Weise an den Haaren herbeizuziehen. Man erinnere sich nur an den so genannten Kannibalen von Rothenburg, der sein Mordurteil einer durch den teilweisen Verzehr der Leiche begangene Störung der Totenruhe verdankt.
Bei dem Mann aus Hannover war die Staatsanwaltschaft anscheinend mal wieder der Meinung, man müsse der Pressewirksamkeit halber die Mordskeule zücken und stützt sich auf ein weiteres skurriles Mordmerkmal: die Mordlust. "Mordlust" ist der Umstand, bei der Begehung einer Straftat auch noch positive Gefühle zu empfinden, was die Straftat sogleich auf eine verwerflichere Stufe hebt. Wie derartig unlogische, unsystematische und pseudomoralische Schwiemelei es über sechzig Jahre in einem rechtsstaatlichen Gesetz aushalten konnte, ist eigentlich unbegreiflich.
§ 212 Abs. 2 StBG hätte es doch auch getan.
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