Obwohl Rechtsanwälte eigentlich alle dasselbe studiert haben, scheinen einige grundsätzliche Erkenntnisse längst nicht mehr bei allen präsent zu sein. So erinnere ich mich an eine Sozietät, in der man Strafmandaten aus eben dem genannten Grund skeptisch gegenüber stand: Man hatte nämlich panische Angst, Strafmandanten könnten die restliche Klientel beim Zusammentreffen im Wartebereich abschrecken.
Selbst meine Beteuerung, dass alle meine Mandanten unschuldig seien, zog da nicht. Und das trotz Unschuldsvermutung! Erstaunlicherweise waren bei denselben Kollegen selbst die zwielichtigsten eigenen Mandanten wohl gelitten, solange sie nur mit zivilrechtlichen Problemen die Kanzlei betraten. Meine Auffassung, dass ein Betrüger ein Betrüger sei, gleich ob er nun mit der zivilrechtlichen oder der strafrechtlichen Komponente seines Problems zu mir komme, verfing trotzdem nicht.
Da scheint bei einigen unserer zivilistischen Kollegen eine recht abenteuerliche Vorstellung vom mutmaßlichen Straftäter vorzuherrschen, der ungekämmt und ungeduscht im Wartebereich die Illustrierten klaut. Dabei hatte ich für die Kollegen noch einen weiteren Trost bereit:
Die gefährlichsten meiner Mandanten kommen nämlich gar nicht zu mir in die Kanzlei; bei denen mache ich Hausbesuche. Im Knast.
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