Tatort Schundjournalismus

Da ich in der Regel kein Fernsehen gucke, habe ich erst mit einigen Tagen Verzögerung erfahren, dass RTL2 offenbar ein Format ausstrahlt, dass sich "Tatort Internet" nennt. Die weiteren Informationen hätte ich mir selbst mit meiner übelsten Phantasie nicht ausdenken können, aber sie scheinen zu stimmen:

Diese Reality-Show wird produziert von Stephanie Freifrau zu Guttenberg - der Frau frei von Fakten - und moderiert von - man mag es nicht glauben - Udo Nagel, einem ehemaligen bayrischen Polizeibeamten, der von Hamburgs Antwort auf Judge Dredd, Ronald B. Schill, seinerzeit zum Polizeipräsidenten ernannt worden war, ihm später im Amt nachfolgte und im Anschluss einer Sicherheitsfirma vorstand, die derzeit im Verdacht steht, im Auftrag einer Landesbank unliebsamen Arbeitnehmern Kinderpornographie (!) untergeschoben zu haben.

Der Gegenstand dieser - sagt man da noch Reality-Show? - wäre zu meiner Kindheit geeignet gewesen, sämtliche an der Produktion beteiligten Personen für einige Zeit in den Knast zu bringen und dem Sender eine ordentliche Hausdurchsuchung zu bescheren. Über gezinkte Zeitungsanzeigen soll Männern vorgegaukelt werden, sie könnten sich mit einer Dreizehnjährigen zum Sex verabreden und werden dann bei ihren Geschlechtsverkehr-mit-Minderjährigen-Anbahnungsversuchen gefilmt. Allein dieser Modus verstößt gegen so viele Gesetze, dass man kaum weiß, wo man mit der Aufzählung anfangen soll. Das scheint aber niemanden zu interessieren.

Hinter dem ganzen versteckt sich, wie manche mutmaßen, eine perfide Strategie einiger Lobbyisten, mit Hilfe mutmaßlicher Kinderpornographie eine Zensurinfrastruktur zu eigenen Zwecken zu etablieren. Vielleicht ist es aber auch nur grenzenlose Geschmacklosigkeit und Dummheit, gepaart mit etwas pervertiertem Gutmenschentum, das Menschen dazu bewegt, bei so etwas mitzutun.

Wie ich gestern in meinem Stammlokal sah, hat sich auch "Der Stern" diesem fragwürdigen Projekt angeschlossen. Möglicherweise möchte man beweisen, dass Journalismus unterhalb jeder verfügbaren Thekenkante auch ohne gefälschte Tagebücher möglich ist.

Es ist.

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