Die Befangenheit und die Besorgnis

In Mannheim hat die Verteidigung sämtliche Berufsrichter (nicht hingegen die Schöffen!) der großen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ich kann dem Kollegen Vetter hier nur zustimmen: Wenn auch nur ein Teil dessen, was Gisela Friedrichsen aus der Verhandlung berichtet, zutreffen sollte, dann dürften diese Richter da eigentlich nicht mehr lange sitzen.

Allein mir fehlt der Glaube. Und zwar aus Erfahrung. Richter halten sich niemals für befangen und andere Richter halten Richter auch niemals für befangen. Das bei der Begründung dieses Diktums zumeist verwendete Argument dreht sich im Kreise und lautet eigentlich immer: Weil Richter Richter sind, sind sie auch nicht befangen, denn Richter sind nie befangen. Das hat man als Strafverteidiger einfach schon so oft gelesen, dass einem die Lust an der Tätigkeit vergehen kann.

Dabei geht es gar nicht darum, ob ein Richter befangen ist. Es geht darum, ob der Angeklagte die berechtigte Besorgnis haben darf, dass sein Richter befangen ist. Diese Besorgnis muss aus einem konkreten Umstand berechtigterweise herrühren, mehr nicht. Ob der Richter wirklich befangen ist, ist vollkommen egal.

Vor diesem Hintergrund ist die klassische dienstliche Äußerung abgelehnter Richter umso erschreckender: Sie lautet nämlich in der Regel: "Ich fühle mich nicht befangen." Es ist einfach nur erstaunlich wie viele Richter es einfach nie lernen und diesen Unfug immer wieder schreiben. Denn das eigene Gefühl ist nicht nur völlig unerheblich, es zeigt auch, dass die Richter, die so etwas schreiben, entweder das Gesetz nicht kennen oder tatsächlich befangen sind.

In Mannheim nun dürfte die bloßen Besorgnis der Befangenheit längst nicht mehr das Thema sein. Besorgnis zu erregen, dafür nämlich hätte der Umstand, dass eine Richterin offenbar mit der einzigen Belastungszeugin in einem Sportverein ist, locker genügt. Wenn sich die Verhandlung gestern wirklich so abgespielt haben sollte, wie berichtet wird, dann kann man kaum mehr Zweifel daran haben, dass die Berufsrichter tatsächlich befangen sind. Das wäre dann in der Tat Anlass zu weiterer Besorgnis.

Wie das für die Entscheidung über die Befangenheit zuständige Gericht - eine andere Strafkammer des Landgerichts - ausfallen wird, da bin ich allerdings etwas pessimistischer als der Kollege Vetter. Ich fürchte, man wird wieder mal selbst die deutlichsten Hinweise geflissentlich übersehen und die Kammer ihr Possenspiel weiter treiben lassen.

Bis der BGH dem Spuk dann in der Revision hoffentlich einen neuen Anfang bereitet.

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