Vergleichsweise wenig weise Vergleiche

Es gibt Rechtsstreitigkeiten, die schreien nach Vergleichen, schreibt ein Kollege hier.

Das stimmt. Dazu gehören z. B. etwa 95 % aller Bauprozesse. Aber die schreien schon nach Vergleich - um im Bild zu bleiben - lange bevor sie rechtshängig werden.

Sind Rechtsstreitigkeiten aber einmal vor Gericht anhängig, bestimmt sich der Prozessstoff und das Petitum allein nach dem Willen der Parteien. Bei den so genannten "Naturalparteien" (vulgo: normalen Menschen ohne juristische Vorbildung) mag es noch angehen, dass der Richter aus gegebenem Anlass mal nachfragt, ob man sich nicht einigen könne.

Bei rechtsanwaltlich vertretenen Parteien hingegen sollte ein Richter annehmen, dass diese sich bei ihrem Antrag etwas gedacht haben und dies zumindest ansatzweise juristisch untermauert ist. Und wenn nicht, dann ist das nicht sein Problem.

Sein - des Richters - Problem ist vielmehr, dass er bei streitiger Verhandlung ein Urteil schreiben muss und ihn dass viel Zeit kostet. Wie viel einfacher ist es da doch, den Parteien einen Vergleich schmackhaft zu machen, und sei es durch Drohung mit einem empfindlichen Übel. Zu den Strategien vergleichswütiger Richter an anderer Stelle mehr.

Schon zum festen Erfahrungsschatz eines jeden Zivilrechtsanwaltes gehört, dass wer einen einmal geschlossenen Vergleich widerruft, den Prozess anschließend verliert - also vom arbeitsscheuen Richter für sein unangemessen kriegerisches Verhalten abgestraft wird. Das ist eine grobe Verkennung der eigenen Dienstpflichten, denn der Richter ist eben ein Richter, und kein Schlichter.

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