Die Wirklichkeit ist kein kurzer Hauptsatz

Die Bundesjustizministerin hat mit ihrem Amtsantritt eine so genannte Task-Force aus sieben Germanisten eingerichtet, die für verständlichere Sprache in Gesetzen sorgen sollen. Schon bei ihrer unglücklichen Namensgebung ist dieser "Kampfverband" offenbar auf ganzer Linie gescheitert. Sonst hat man auch noch nichts Gutes von ihm gehört.

Wenn Gesetze unverständlich sind, liegt das meist an ihrem Inhalt, nicht an ihrer Form. Und für den Inhalt sind Juristen verantwortlich, nicht Germanisten. Komplizierte Sachverhalte werden durch sprachliche Vereinfachung nicht einfacher, sie werden einfach nur falsch. Wie das dann aussieht, sehen Sie, wenn sie mal in der Tagespresse mit den vier roten Buchstaben blättern. Da lesen Sie zwar nur leicht verständliche Hauptsätze, nur ist die Wirklichkeit meist sehr viel komplizierter.

Wer sich daher über die Form ärgert, ärgert sich falsch. Wer sich ernstlich darüber beschwert, dass Juristen "Lichtbild" schreiben, wo andere vielleicht "Photo" sagen würden, hat wohl sonst keine Probleme. Den "Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars" wird jeder Germanist sprachlich sehr schön umformulieren können - nur den ihm innewohnenden strukturellen Unsinn wird er damit kaum ändern und will es wohl auch nicht.

Den Inhalt eines Gesetzes aber wird man nur formulieren können, wenn man das dahinter stehende Problem erkannt hat und die Absicht hat, es auch zu lösen. Damit werden sieben Germanisten jedenfalls überfordert sein.

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