Kindisch oder kriminell?

Letztens fand ich in meinem E-Mail-Postfach eine Nachricht von einem mir persönlich nicht bekannten Absender. Es ging um einen so genannten Rotlichtverstoß. Der gute Mann hatte eine Sachverhaltsschilderung angehängt und sprach mich mit "Sehr geehrte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte" an.

Man kann also davon ausgehen, dass etliche weitere Kollegen seine Bewerbung als Mandant bekommen haben. Von zweien weiß ich es bereits definitiv. Dafür, dass der Möchtegern-Mandant wahrscheinlich gleich alle 116.000 Mitglieder der AG Verkehrsrecht im DAV angeschrieben hat, hat er auch einen Grund. Der Möchtegern-Mandant umschreibt ihn wörtlich so:

"Da der Versicherungsumfang eine Selbstbeteiligung von 150,00 € vorsieht, würde ich Ihre Leistung nur in Anspruch nehmen wollen, wenn sie von der Selbstbeteiligung von 150,00€ absehen würden und lediglich die Kosten mit meiner Rechtsschutzversicherung abrechnen.
Wenn sie nicht auf die 150,00€ verzichten wollen, würde die Inanspruchnahme ihrer Leistung mir mehr Geld kosten, als der Bußgeldbescheid. Deshalb würde ich in dem Fall keine Rechtshilfe in Anspruch nehmen.
"

Da hat der gute Mann einen wichtigen wirtschaftlichen Zusammenhang bereits erkannt: Was mehr kostet als es nützt, ist unökonomisch. Aber mit der Umsetzung dieses Grundsatzes hapert es noch, denn offensichtlich möchte der Kandidat ja trotzdem anwaltlich vertreten werden. Möglicherweise hat er unbewusst erkannt, dass anwaltlicher Beistand durchaus einen eigenen Wert haben kann, der sich nicht in bloßem Zahlenwerk widerspiegelt. Immerhin macht er sich nicht unerhebliche Mühe, einen Rechtsanwalt zu finden. Nur bezahlen will er ihn nicht.

Was aber macht jemand, der etwas haben möchte, gleichzeitig aber nicht bezahlen will? Da hat man grob zwei Möglichkeiten: Klauen oder Betteln. Wobei Klauen hier selbstverständlich als Oberbegriff für alle Eigentums- und Vermögensdelikte zu verstehen ist.

Immerhin hat dieser Herr sich für die legale Methode entschieden - das Betteln: Damit steht er auf einer Stufe mit dem schlecht erzogenen Hund am Esstisch dem quengelnden Kleinkind am Süßigkeitenregal. In der Wertigkeit deutlich darüber steht bereits der Obdachlose, denn der hat das Betteln in der Regel nötig. Dieser Herr bettelt hingegen aus Prinzip.

Denn er ist Beamter, wie er mir und allen Kollegen in seiner rührenden Nachricht offenherzig mitteilt.

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